Briefe an einen Blinden - Dr Siri ermittelt by Colin Cotterill

Briefe an einen Blinden - Dr Siri ermittelt by Colin Cotterill

Autor:Colin Cotterill [Cotterill, Colin]
Die sprache: eng
Format: epub
Herausgeber: Goldmann
veröffentlicht: 2011-04-20T17:00:00+00:00


12

DIE FALSCHE SCHLANGE

Wie die meisten Konterrevolutionäre bestätigen werden, kann es nicht schaden, hin und wieder dem Tourismus zu frönen, auch wenn man gerade damit beschäftigt ist, eine Staatskrise abzuwenden. Und so kam es, dass Siri und Civilai sich nach durchzechter Nacht mit noch whiskyschwangerem Schädel in einem robusten Willys-Jeep wiederfanden. Daeng hatte den alten Postvorsteher überredet, Siri das Gefährt einen Tag lang zu überlassen. Siri hatte Civilai überredet, sich ihm anzuschließen und obendrein den Chauffeur zu spielen.

»Ich weiß nicht, ob das eine so gute Idee ist«, sagte Civilai, »zumal …«

»Ach, halt die Klappe«, brüllte Siri gegen das Brummen des Motors an. »Was sollen wir denn sonst machen? Untätig herumsitzen und darauf warten, dass uns neue Informationen in den Schoß fallen? Wir haben zwei hervorragende Leute, die uns die Kärrnerarbeit abnehmen. Da kommt es auf einen Tag mehr oder weniger nicht an. Du musst dir das so vorstellen: Wir sind die Kommandozentrale. Du bist der Oberkommandeur, und ich bin der Fremdenführer, der für dein geistiges Wohlergehen sorgt.«

»Natürlich, dass ich darauf nicht von selbst gekommen bin!«

Kaum hatten sie die erste Straßenecke hinter sich gelassen, fuhren sie durch ein Schlagloch, das so tief war, dass man darin bequem einen Büffel hätte begraben können. Siri hielt sich den Bauch. »Mist.«

Civilai trat auf die Bremse.

»Ist dir schlecht?«

»Schön wär’s.« Siri hob den Saum seines Hemdes und ließ sich das weiße Amulett in den Schoß fallen. Die Schnur aus geflochtenem weißen Haar hatte immer schon ein wenig zerfranst ausgesehen, und nun war sie gerissen.

»Das wird uns doch wohl nicht in ewige Verdammnis stürzen, oder?«, fragte Civilai.

»Das glaube ich kaum«, antwortete Siri ohne rechte Überzeugung. »Trotzdem muss ich es in Ordnung bringen lassen.«

»Kein Problem. Wir halten einfach bei der nächsten Geisterhaar-Reparaturwerkstatt.« Civilai legte knirschend den Gang ein, und nachdem der Wagen ein paarmal gebockt hatte, rollte er in so gemächlichem Tempo dahin, dass ein Fußgänger mit einem Stein im Schuh sie ohne Weiteres hätte überholen können. Siri sah auf den Tacho. Die Nadel rührte sich nicht.

»Bei der Geschwindigkeit ist das Haar längst nachgewachsen, bevor wir irgendwo ankommen.«

»Eile mit Weile. Denk an den Hasen.«

»Wenn ich mich recht entsinne, starb die Schildkröte an Altersschwäche, bevor sie die Ziellinie erreichte.«

In einer Stadt, in der es praktisch keine Autos gab, war der grüne Militärjeep, der sie verfolgte, eigentlich kaum zu übersehen. Civilai hätte ihn nur dann nicht bemerkt, wenn er in einem Willys ohne Rückspiegel gesessen hätte. Leider war genau das der Fall.

Sie fanden den einzigen Frisiersalon, der vor acht schon geöffnet hatte. Die wachsgesichtige junge Chefin meinte, sie könne den Zopf durchaus wieder zusammenflechten, müsse ihn dazu allerdings um circa zehn Zentimeter kürzen. Das Haarband war durch die Öse des Amuletts geschlungen und fest damit verknotet, und die Amulettmacherin hatte Siri eingeschärft, dass er Haar und Anhänger unter keinen Umständen trennen dürfe. Sonst sei die Wirkung dahin. Und so blieb ihm nichts anderes übrig, als beides im Laden zurückzulassen. Es werde gegen Abend fertig sein, sagte die junge Frau und verlangte zögernd einen Preis von zweihundert Kip. Siri schenkte ihr sein



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